Gut Lied!

Abdrucke

auch in:

 

Anlass war die „Liederbuch-Affäre“ rund um die Burschenschaft Germania in Wiener Neustadt und ihren stellvertretenden Vorsitzenden und FPÖ-Spitzenkandidaten

Udo Land­bau­er

(

Frei­heit­li­che Par­tei Ös­ter­reichs

) im Vorfeld der niederösterreichischen Landtagswahl (

Ös­ter­reich

,

Po­li­tik

); über die rassistischen und antisemitischen Lieder-Strophen (

An­ti­se­mi­tis­mus

,

Na­tio­nal­so­zia­lis­mus

“,

Rechts­ra­di­ka­lis­mus

,

Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung

) und die deutsch-nationale Ideologie der Burschenschaften, Aussagen von FPÖ-Politikern und Strategien der Rechtfertigung; Verweise auf

Hein­rich Hei­ne

.

Jelinek überarbeitete den Essay anlässlich des Artikels Alte Lieder im Falter (27/2018), der ein mögliches politisches Comeback

Udo Land­bau­ers

sowie die Gutachtenergebnisse der Untersuchung des Liederbuchs durch das Büro für Kriminaltechnik thematisierte; weiters enthält diese Fassung Anspielungen auf aktuelle politische Entwicklungen wie den Asyldiskurs (

Flucht

,

Frem­den­feind­lich­keit

) der europäischen Rechtspopulisten, die zunehmende Kriminalisierung der Seenotrettung Geflüchteter und Vorhaben der österreichischen Regierung wie stärkere Grenzkontrollen und Arbeitszeitflexibilisierung.

 

Wir sind jung, wir können aber auch alte Herren sein. Je nachdem. Also bitte, entscheiden sie sich endlich! Unsere Entscheidung ist aber doch längst gefallen! Vielleicht fallen die Menschen wieder, man nennt sie dann Gefallen. Bis dahin gefallen wir selbst, und die Lieder gefallen uns auch. Da sind sie ja schon, da kommen sie grade herauf, aus den Kellern herauf, es tönt, es tönen unsere Überzeugungen. Der Jud Heine kann uns mal. Wir haben die besseren Lieder, wir singen sie nicht, wir kennen sie nicht, doch wir singen sie, wir haben sie nie gehört, vielleicht vor fünfzig, vor siebzig, vor hundert Jahren, das ja, kann sein, aber jetzt nicht mehr, keiner kennt die mehr, diese Zeiten sind vorbei, diese Bubendummheiten, die schon der liebe Gott im Himmelreich, ja, unserer, der nur uns kennt, nachsichtig übersieht, überschaut und dann übersieht. Das machen wir alles selber und besser. Den lieben Gott stellen wir an die Wand. Wotan wird ihm schon ein Auge herausreißen, zusätzlich zu dem, was der arme Jesus schon durchgemacht hat. Kennen Sie sonst noch einen Gott?, na eben! Sie kennen keinen, das habe ich mir gedacht.

aus: Elfriede Jelinek: Gut Lied! http://www.elfriedejelinek.com/fgut-lied.html (1.3.2018), datiert mit 26.2.2018 (= Elfriede Jelineks Website, Rubriken: 2018, zu Politik und Gesellschaft).

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