Die Wellen

Abdrucke

auch in:

Übersetzungen

Schwedisch

 

Kritik am Schweigen der internationalen Schriftstellervereinigungen (angesprochen wird der PEN International) angesichts der Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Putschversuch am 15. und 16.7.2016 in der Türkei (

Po­li­tik

,

Ge­walt

), die sich auch gegen KünstlerInnen (

Künst­ler

,

Künst­le­rin

) und Intellektuelle richtete. Forderung der Freilassung aller willkürlich Gefangenen, denen man keine Schuld an dem Putsch nachweisen kann, insbesondere des Politikwissenschaftlers

Sa­hin Al­pay

und des Schriftstellers

Hil­mi Ya­vuz

. In einem Interview mit Deutschlandradio und bei einem Auftritt in der ORF-Sendung ZIB 24 am 8.8.2016 nahm

Jo­sef Has­lin­ger

, der Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, zu Jelineks Kritik Stellung.

Reaktionen

Reaktionen:

 

Ich höre nichts von meinen (Schriftsteller)-Vereinigungen. Vielleicht stecken sie derzeit ja im Gefängnis ihrer Badehosen oder Bikinis an irgendeinem Strand fest. Da ich nichts höre, (vielleicht höre ich aber doch noch was, vielleicht morgen, trotzdem), muß halt ich etwas sagen: Ich fordere die Freilassung aller offensichtlich willkürlich Zusammengefangenen in der Türkei, denen man keine Schuld an einem Putsch nachweisen kann. Und ich fordere hier ausdrücklich die Freilassung (vielleicht ist sie ja schon passiert, was weiß ich, die Wellen kommen ja und gehen, manchmal schneller, als man schauen kann) von zwei alten Männern:

Şahin Alpay, 72 Jahre, Politikwissenschaftler und Journalist, und Hilmi Yavuz, 80 Jahre, Schriftsteller, mein Kollege. Sie sind alt, und sie bekommen nicht einmal ihre Medikamente. Vielleicht hat sich auch das inzwischen geändert, ich hoffe es. Ja, brüllt nur und fahnenschwenkt, ihr, wie das Meer, aber aus Menschen. Und das Meer gibt einzelne Menschen nur widerwillig frei. Das Menschenmeer auf den Straßen, das angeblich die Demokratie retten will, indem es sie verspottet und zerstört, soll sich teilen vor keinem Gott, aber vor mir, und es soll wenigstens diese beiden alten Männer loslassen und herausgeben, ich verlange das, bevor niemand mehr Wechselgeld hat und die Demokratie, für die die Fahnenschwenker, in denen der Haß schwappt, kämpfen, vielleicht in gutem Glauben, unbezahlbar geworden ist, weil dann jeder zahlen muß und nicht mehr wissen wird, wofür.

aus: Elfriede Jelinek: Die Wellen. In: Der Standard, 4.8.2016.