Dieses störende Dings, das lebt, dieses Ding, dieses Dingsbums, dem ich seinen
Charakter genommen habe, um es auf den Weg der Besinnung und Umkehr zu bringen,
um es endlich zu zwingen, seinen Sachcharakter zuzugeben (na, irgendeinen
Charakter muß es ja haben, und Subjekt darf es nicht sein, kann es nicht sein),
dem nehme ich nun auch noch seinen Aberglauben, seinen matten Schimmer, es
könne etwas Ursprünglicheres sein, etwas Unbeschriftetes, etwas das einen guten
Kern hat oder eine schlechten. Etwas, in dem was drinnen ist, das das Subjekt selbst
stört und uns alle mit. Wenn wir uns bloß vorstellen, wozu dieses Subjekt imstande
sein könnte und daher imstande ist! Der Schein, daß, was lebt, stört, ist eine optische
Täuschung, auch eine gedankliche. Denn was lebt, kommt weg, ob es nun stört oder nicht.
Das, was stört, hat keine Zeit mehr, sich selbst zu betrachten und zur Besinnung
seiner selbst zu kommen, denn es ist abhandengekommen sich selbst.
aus: Elfriede Jelinek: Dieses störende Ding, das lebt.
In: Becker, Peter von (Hg.): Wer lebt, stört. München: GaragenDruck 2005, unpag.
Zum 80. Geburtstag
Tankred Dorsts
; Überlegungen zur Fähigkeit des lebenden Ichs, zu stören. Die Behauptung, ein lebendes Subjekt störe, wäre eine Täuschung, denn was lebe, verliere seinen Subjektcharakter.