Stellungnahme zur Asyl- und Aufenthaltsgesetzgebung in Österreich

Abdrucke

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Stellungnahme zur Asyl- und Aufenthaltsgesetzgebung in Österreich. In: Broschüre zum Trauermarsch zum Asyl- und Aufenthaltsgesetz

    1994

    .

auch in:

 

Aus Anlass des von der Initiative Minderheitenjahr veranstalteten Trauermarsches zum Asyl- und Aufenthaltsgesetz am 1.7.1994 (

Frem­den­feind­lich­keit

). Es sei Zeit, die Stimme zu erheben gegen die Ungerechtigkeit des neuen Asylgesetzes (

Flucht

), das Gefährdete abschiebe und unduldsam gegenüber Armen und Fremden sei, während den zahlungskräftigen Touristen (

Tou­ris­mus

) ein idyllisches Bild von Österreich vermittelt werde. KünstlerInnen (

Künst­ler

,

Künst­le­rin

) hätten die moralische Verpflichtung, für diejenigen zu sprechen, für die kein anderer spricht.

 

In Wahrheit hätten wir keinen Satz mehr aussprechen dürfen, der nicht sagt: Dieses Asylgesetz ist unrecht. Jetzt darf da nicht mehr drum herumgeredet werden. Sonst machen wir uns der Komplizenschaft schuldig und haben kein Eigenes mehr, das wir bewahren dürften, indem wir diejenigen, die auf uns angewiesen sind, davon ausschließen. Wir haben es den Verantwortlichen jeden Tag begreiflich zu machen, daß dieses Unsrige, mit dem wir die zahlungskräftigeren Fremden anlocken, diese stampfenden Musikantenställe, diese tanzenden Pferde, diese singenden Nervensägen auf dem Bildschirm, all diese Gespenster, die ihr Grinsen, das Grinsen des Berufspolitikers krampfhaft auf den Gesichtern festhalten wie Regenschirme, die jeden Moment davonfliegen können, daß dieses Unsrige also uns schon nicht mehr gehört, wenn wir nicht imstande sind, es mit anderen zu teilen, die gar nichts haben.

aus: Elfriede Jelinek: Stellungnahme zur Asyl- und Aufenthaltsgesetzgebung in Österreich . In: Janke, Pia (Hg.): Die Nestbeschmutzerin. Jelinek & Österreich. Salzburg: Jung und Jung 2002, S. 79.

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