Was Elfriede Jelinek in ihrem Stück „er nicht als er“ uns am Beispiel ihrer Beziehung zu Robert Walser vor Ohren und Augen führt,
ist ihr Bekenntnis zu Werten: Zur Sinnlichkeit der Sprache, zum sinnlichen Erleben von Umwelt, zum Erfühlen und Erfüllen von
sinnlicher Du-Erfahrung... allerdings ohne Besitzanspruch, ohne Vereinnahmung des Gegenübers.
Mit dieser liebevollen Distanz bin auch ich an ihren Text, der „zu, mit Robert Walser“ entstanden ist, herangegangen. Schon die Wahl
einer einzigen Sprechstimme vis à vis einem Orchester mit vorsichtig solistischer Posaune sollte möglichst wenig von Elfriede Jelineks
Sprachkomposition beeinflussen, ihr eher ein akustisches Bühnenbild geben. Aber auch die Komposition selbst versucht Distanz zu wahren.
Nicht um eine psychologisierende Klangumgebung soll es gehen, sondern um das autonome Gegenüber von zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten,
Sprache und Musik, die sich gegenseitig fördern und fordern, ohne daraus Dienstbarkeiten entstehen zu lassen. Das geschieht musikalisch
durch das Zulassen konzertanter Formen, wie Passacaglia, Fuge, Choral, die aber immer wieder – gleichsam als Kadenzen – Inseln freierer
Form- und Klanggestaltung und damit Möglichkeiten gegenseitiger Einflussnahme einschließen.
aus: Dieter Kaufmann: Reflexionen über Werte. In: Programmheft der Neuen Oper Wien zu Dieter Kaufmanns FUGE – UNFUG – E , 2008.
Dieter Kaufmann
verwendet Jelineks Theatertext
er nicht als er
bis auf ein paar Kürzungen unverändert. Die Komposition ist in zwölf Abschnitte unterteilt. Der Text wird von einer Schauspielerin z.T. rhythmisiert über das Orchester oder ohne Orchester gesprochen. An einigen Stellen wird die Stimme auch über Band eingespielt, sodass Gegenstimmen entstehen, die einander überlagern. Das Verhältnis zwischen Sprache und Musik bezeichnete
Kaufmann
als „autonomes Gegenüber von zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten“.
Dieter Kaufmanns Hörspielbearbeitung
Lui comme elle (Er wie Sie)
(2009)