Ein Gedicht: Die Vereinigung

Abdrucke

 

Verfasst für eine Publikation zum 50. Geburtstag von

Her­mann L. Grem­li­za

. Der Text handelt von der Wiedervereinigung Deutschlands (

Deutsch­land

), dessen nationalistische Auswüchse (

Na­tio­na­lis­mus

)

Grem­li­za

kritisierte.

 

Aufzuhalten ist nichts, doch verweilen wollen sie vor den Alleen, durch deren Bäume schon das Zucken der Wertschöpfung, der Weltschöpfung geht. Heute sind sie noch da, diese alten Dinge: Gemächnisse, in die sich Bescheidene verkrallt haben. Ihnen werden die Finger abgejätet, denn dort kommt jetzt ein Supermarkt hin! Überflüssiges muß durch Flüssiges ersetzt werden. Es rinnt aus den Limonadenflaschen der Mensch als Pfand: die Umwelt hat er mit dem Teuersten, mit sich selbst, verschont. Er bekommt fürs Glas, das Durchsichtigste, das es gibt, etwas an der Kasse zurück, wofür er dann Neues erwerben kann. Dieses neue Sein ist ihm fremd, er muß es erst in das Bewußstsein seines neuen Kontostands verwandeln.

aus: Elfriede Jelinek: Ein Gedicht: Die Vereinigung . In: HLG. Dichter & Prawda. Dem „konkret“ Verleger Hermann L. Gremliza zum Fünfzigsten. o. O.: Verlag 20. November 1990, S. 18-19, S. 18.

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