Die Affäre Rue de Lourcine (L’Affaire de la Rue de Lourcine, 1857)

Komödie

Programmheft zur Erstaufführung an der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin, 1988

Personen

Lenglumé, Rentier; Mistingue; Potard, Leglumés Vetter; Justin, Bediensteter bei Leglumé; Norine, Leglumés Frau.

Abdrucke

Erstdruck:

  • La­bi­che, Eu­gè­ne

    :

    Die Affäre Rue de Lourcine. In: Programmheft der Berliner Schaubühne zu Eugène Labiches Die Affäre Rue de Lourcine in der Übersetzung von Elfriede Jelinek

    1988

    (das Programmheft besteht ausschließlich aus diesem Text und enthält auch die noten der Singstimmen der Couplets)

    .

Weiterer Abdruck:

Teilabdrucke:

  • La­bi­che, Eu­gè­ne

    :

    Die Affäre Rue de Lourcine.

    Teilabdruck

    In: Programmheft des Theaters am Kirchplatz Schaan zu Eugène Labiches Die Affäre Rue de Lourcine in der Übersetzung von Elfriede Jelinek, 1990. (Auszüge des gesamten Stücks; die meisten Szenen sind nur angeschnitten, ihre Reihenfolge wie folgt: 1., 2., 7., 8., 9., 12., 14., 16., 17., 15., 18.

    21

    (= 1)

    (Auszüge des gesamten Stücks; die meisten Szenen sind nur angeschnitten, 8., 9., 12., 14., 16., 17., 15., 18., 21.)

    .

  • La­bi­che, Eu­gè­ne

    :

    Die Affäre Rue de Lourcine.

    Teilabdruck

    In: Programmheft des Landestheaters Linz zu Eugène Labiches Die Affäre Rue de Lourcine in der Übersetzung von Elfriede Jelinek

    1992

    (= 1)

    (2 Couplets)

    .

Aufführungen

 

Jelinek erstellte die Übersetzung 1988. Sie war eine Auftragsarbeit für die Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin.

Pe­ter Fi­scher

komponierte für diese Aufführung die Couplets. Von Jelineks Übersetzungen französischsprachiger Theatertexte wurde Die Affäre Rue de Lourcine am häufigsten aufgeführt.

In Hinblick auf die Wortwahl ist die Übersetzung von einem sehr freien Umgang mit der Textvorlage geprägt, der Sprachrhythmus des Originals wird jedoch beibehalten. Besonders betont wird der sozialkritische Ansatz des Stücks. Ein zentrales Motiv ist die Doppelbödigkeit der bürgerlichen Moral und die Hinterfragung von unreflektierten Konventionen der

Ge­sell­schaft

. Nach einer durchzechten Nacht erwacht Lenglumé neben seinem ehemaligen Schulkameraden Mistingue im Bett (

Se­xua­li­tät

). Die beiden können sich an die Ereignisse der vergangenen Nacht nicht erinnern. Als sie jedoch aus der Zeitung von einem Mord an einer jungen Frau erfahren, vermuten sie, selbst die Mörder zu sein (

Ge­walt

), und versuchen, die Spuren der Tat zu verwischen.

Für

Bar­ba­ra Freys

Inszenierung am Burgtheater 2015 überarbeitete Jelinek ihre Übersetzung. Neben Ergänzungen in der 8. Szene nahm sie auch geringfügige sprachliche Änderungen in anderen Szenen vor und arbeitete Anspielungen auf die aktuellen Burgtheater-Konflikte (Fall der entlassenen kaufmännische Direktorin

Sil­via Stan­te­js­ky

) und die

Wirt­schafts­kri­se

ein.

 

 

1. Szene
Justin, dann Norine.
Wenn der Vorhang aufgeht, sind die Bettvorhänge geschlossen.
Justin, auf Zehenspitzen eintretend.
Justin: Monsieur schläft noch … wecken wir ihn nicht auf!... (schaut auf die Pendeluhr) Neun Uhr!... Der ist mir eine Schlafmütze!... (er niest) Scheißschnupfen!... Der steckt mir in den Knochen!
Norine (auf Zehenspitzen eintretend. Sie trägt einen Tabakstopf und zwei Flaschen. ): Na, ist er schon wach?
Justin: Noch nicht... Monsieur ist eine derartige Schlafmütze!
Norine: Was?... Etwas mehr Respekt, wenn ich bitten dürfte!
Justin: Oh pardon... Soll ich melden, daß Madame hier ist?
Norine: Unterstehn Sie sich!... Armer Freund... wo er doch heute seinen Namenstag hat... Ich habe eine Überraschung für ihn... Ein Tabakstopf, gefüllt mit Marylandtabak! (Sie stellt den Topf auf den Kamin)
Justin (beiseite): Kruzitürken! Echter Maryland! Davon werde ich mir eine Pfeife genehmigen...
Norine: Und dann noch diese zwei Flaschen Genever... sein Lieblingsschnaps!
Justin (beiseite): Davon werde ich mir auch einen reinziehen... (Laut, sich vergessend)
Sehr gut. Stellen Sie’s nur dorthin!
Norine: Wie? Stellen Sie’s dorthin?
Justin: Oh, pardon.
Norine: Ich wollte die Sachen eigentlich in den kleinen Salon bringen... dann wird’s eine zwiefache Überraschung für mein teures Engelchen...
Justin (beiseite): Was diese Frau für ihren Fettklops schwärmt!
Norine (will gehen): Ach, Justin, gestern sind doch die Tapeten im Kabinett von Monsieur geklebt worden... Zünden Sie dort ein Öfchen an, damit sie trocknen!
Justin: Jawohl, Madame.
Norine: Suchen Sie auch den Regenschirm, den ich mir von Vetter Potard geliehen habe! Ein grüner Regenschirm mit einem Affenkopf... Sein Dienstmädchen ist da und wartet drauf.
Justin: Ich muß aber noch die Kleider ausbürsten, Madame...
Norine: Später.
Justin: Aber...
Norine: Immer müssen Sie widersprechen...! Ich befehle Ihnen ausdrücklich, den Regenschirm zu holen... Ist das klar? (Mit ihren Flaschen nach links ab)
aus: Eugène Labiche: Die Affäre Rue de Lourcine . Ü: Elfriede Jelinek. In: Programmheft der Berliner Schaubühne zu Eugène Labiches Die Affäre Rue de Lourcine in der Übersetzung von Elfriede Jelinek, 1988. (Beginn)