Der ideale Mann (An Ideal Husband, 1894)

Erstaufführung am Burgtheater Wien, 2011. Foto: Burgtheater Wien / Reinhard Werner

Personen

Sir Robert Chiltern, Staatssekretär im Auswärtigen Amt; Lord Caversham; Lord Goring, sein Sohn; Vicomte de Nanjac, Attaché an der Französischen Botschaft in London; Mason, Sir Robert Chilterns Butler; Phipps, Lord Gorings Diener; James, Dienstbote; Harold, Dienstbote; Lady Chiltern; Mabel Chiltern, Sir Robert Chilterns Schwester; Mrs. Cheveley; Lady Markby; Lady Basildon; Mrs. Marchmont.

Abdrucke

 

Jelinek erstellte die deutsche Fassung zusammen mit

Ka­rin Rausch

. Die Übersetzung zeichnet sich durch einen freien Umgang mit dem Original und zahlreiche Aktualisierungen aus. Jelinek nahm in ihrer Bearbeitung auf mehrere aktuelle Skandale in

Ös­ter­reich

Bezug, etwa auf die Korruptionsvorwürfe gegen den früheren Finanzminister

Karl-Heinz Gras­ser

, den Meinl- und den Hypo-Alpe-Adria-Skandal, die auch in ihrem Theatertext

Die Kon­trak­te des Kauf­manns (2009)

behandelt werden, und verband die in

Wil­des

Text thematisierten Korruptionsfälle mit der österreichischen

Po­li­tik

, dem

Ka­pi­ta­lis­mus

und der

Wirt­schafts­kri­se

.

Bei der Erstaufführung der Fassung am

Wie­ner Burg­thea­ter

in der Inszenierung von

Bar­ba­ra Frey

wurden diese Aktualisierungen besonders hervorgehoben. Auch die mediale Berichterstattung bezog sich auf sie.

 

 

Mrs. Cheveley: Es handelt sich nicht um eine Firmengründung, Sir Robert. Es handelt sich um genau dieses damalige Kanalkomplott, ich meine -projekt.
Sir Robert Chiltern: Ach was! Schnee von gestern. Was soll das denn jetzt wieder? Natürlich mußten wir damals beim Kanal die Kontrolle ausüben. Ist doch logisch. Dieses Hyperkanalprojekt, womöglich auch noch mit Alpenpanorama, das Sie mir offenbar verkaufen wollen, ist dagegen nichts als ein aufgelegter Schwindel, das können Sie mir ruhig glauben! Einen guten Kern, wenigstens einen, und wäre er noch so klein, sollte eine Firma schon haben, wenn sie an die Börse gehen will. Zumindest in der Gründungsphase. Nachher kann man sie ja ausbluten und den Gnadentod sterben lassen. Die Kleinanleger werden sowieso betrogen, wie üblich. Also, wir rekapitulieren: Reine Luftgeschäfte bringen gar nichts, auch wenn die Luft rein ist. Außer man ist schon sehr gerissen und hat wenigstens irgendwas in der Hinterhand oder Partner im Hinterland. Oder sitzt im Vorstand der betreffenden Firma, auch, und ganz besonders, wenn es die Firma gar nicht gibt.
Mrs. Cheveley: Ich sage Ihnen, mit diesem Hyper-Kanalprojekt habe ich wirklich was in der Hand, Sir Robert! Und auch in der Hinterhand. Ist allerdings etwas gewagt, das Ding.
aus: Oscar Wilde: Der ideale Mann. Ü: Elfriede Jelinek und Karin Rausch. Wien: Burgtheater 2011, S. 28.