wenn es den fremden überkommt die durch fast nichts zu stillende gier dann kann er sich nicht mehr beherrschen. dann schleicht er wie ein hungriges tier durch die gassen. mit seinem gewohnten scharmanten lächeln zieht er die hand des knallroten mädchens an die lippen betrachtet aber weiterhin begehrlich ihren hals. die bäckerin geht mit seltsam weichen schritten wieder zu ihrem mann ins wohnzimmer. er blickt auf weil er nur augen für den krimi im fernsehen hat. so entgeht ihm nicht daß das gesicht seiner frau leichenblaß geworden ist.
Elfriede Jelinek: DER FREMDE! störenfried der ruhe eines sommerabends der ruhe eines friedhofs. In: Handke, Peter (Hg.): Der gewöhnliche Schrecken. Horrorgeschichten. Salzburg: Residenz Verlag 1969, S. 146-160, S. 158.
Der Text ist in Kleinschreibung verfasst und für einen von
Peter Handke
herausgegebenen Sammelband entstanden. Es wird die Geschichte eines Vampirs erzählt, der sich an die Frauen des Dorfes heranmacht und vom Zahnarzt mittels eines präparierten Kaugummis außer Gefecht gesetzt wird. Der „FREMDE“ ist ein Untoter (
Untote
), eine Figur, die auch in späteren Werken Jelineks, u.a. in den Theatertexten
Krankheit oder Moderne Frauen
(1987) und
In den Alpen
(2002) sowie im Roman
Die Kinder der Toten
(1995), vorkommt. Der Text thematisiert die
Fremdenfeindlichkeit
der
Gesellschaft
und parodiert Heimat- und Arztromane.