Dem Faß die Krone aufsetzen

Abdrucke

auch in:

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Hier sitz’ ich, forme ein Menschenpaket nach meinem Bilde.

    gekürzt

    In:

    Jan­ke, Pia

    :

    Die Nestbeschmutzerin. Jelinek & Österreich.

    Salz­burg

    :

    Jung und Jung

    2002

    , S. 107-111

    (gekürzt, Titel: Hier sitz’ ich, forme ein Menschenpaket nach meinem Bilde )

    .

  • Je­li­nek, El­frie­de

    :

    Hier sitz’ ich, forme ein Menschenpaket nach meinem Bilde.

    gekürzt

    In: Süddeutsche Zeitung,

    9.3.2002

    (gekürzt, Titel: Hier sitz’ ich, forme ein Menschenpaket nach meinem Bilde )

    .

 

Über die

Kro­nen Zei­tung und ih­ren Her­aus­ge­ber Hans Dich­and

. Ausgehend von Hannah Arendts Definition von totalitären Bewegungen über die unumschränkte Macht Dichands – „Er ist Gott, bei dem das Wort ist“ – sowie über den Populismus und die demokratiepolitisch bedenkliche Einflussnahme der Zeitung auf die öffentliche Meinung (

De­mo­kra­tie

) und die

Po­li­tik

in

Ös­ter­reich

. Die Kronen Zeitung gebe der breiten Masse das Gefühl, das zu drucken, was sie selbst schon immer gedacht habe, und gebe vor, für die Bevölkerung Politik zu machen: sie erreiche damit die Entpolitisierung ihrer LeserInnen. Im zweiten Teil des Textes auch über die WAZ, die als Teilhaber der Zeitung von dieser „Volksverhetzung und -verdummung“ profitiere.

Mit einem Nachtrag am 11.7.2008 aus Anlass des Briefes der SPÖ-Politiker Alfred Gusenbauer und Werner Faymann an den Herausgeber der Kronen Zeitung Hans Dichand, in dem sie die Änderung der Parteilinie in Europafragen sowie Volksabstimmungen über zukünftige EU-Verträge (

Eu­ro­päi­sche Uni­on

) ankündigten.

Dieser Nachtrag wurde durch den Nachtrag am 20.6.2009 ersetzt, wobei einiges vom früheren Text übernommen wurde. Änderungen betreffen vor allem die Ablöse Gusenbauers durch Faymann als Bundeskanzler; neu ist die Bezugnahme auf die Unterstützung der Kronen Zeitung für Hans Peter Martin und auf die beginnende Kampagne der Kronen Zeitung für Erwin Pröll als Bundespräsident.

Reaktionen

Reaktionen:

 

Hannah Arendt sagt auch, der Ausdruck Masse sei überall da zutreffend, und nur da, wo wir es mit Gruppen zu tun haben, die sich, entweder weil sie zu zahlreich oder weil sie zu gleichgültig für öffentliche Angelegenheiten sind, in keiner Organisation strukturieren lassen, die auf gemeinsamen Interessen an einer gemeinsam erfahrenen und verwalteten Welt beruht. Da sind Interessenverbände, Parteien, Organisationen, Berufs- und Standesorganisationen etc., und in irgendeine dieser Organisationen paßt immer ein Teil der Bevölkerung. Aber bei uns daheim paßt die halbe Bevölkerung in eine einzige Organisationsform, und das ist die Kronenzeitung. Normalerweise schweigen diese Leute und versuchen, ihren Interessen gemäß zu leben. Aber hier schweigt die Hälfte der Menschen nicht, niemals, sie beruhen darauf, daß sie niemals schweigen; aber es wird ihnen gesagt, was sie dann noch zu sagen haben, nachdem ihnen gesagt worden ist, was zu sagen war und was endlich einmal gesagt werden mußte. Schon recht. Schon gut. Nicht viel, denn es wird ja für sie gesagt, indem man ihnen vorspielt, sie hätten es schon viel früher und von ganz alleine gesagt. Die Krone übernimmt das Sagen, weil sie es hat, indem sie den Menschen mit ihrem unaufhörlichen Sprechen den Mund schließt. Wenn die Krone für sie zu sprechen scheint, müssen sie das nicht mehr tun, obwohl sie es immer schon gesagt haben. Sie lädt die Menschen, indem sie ihnen ihre politischen Interessen, von denen sie unaufhörlich spricht, gleichzeitig nimmt, sie also politisch enteignet, mit Sinn auf, die Krone, mit Sinn, der aus ihnen förmlich zu quellen scheint, und gleichzeitig apathisiert sie sie.

aus: Elfriede Jelinek: Dem Faß die Krone aufsetzen . http://www.elfriedejelinek.com/fkrone.html (15.7.2014), datiert mit 2002 (= Elfriede Jelineks Website, Rubriken: Archiv 2002, Archiv 2008, zu Österreich).

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