Dichter wie Hans Lebert verdient dieses Land der
heiteren hiesigen Vergesslichen nicht. Und deshalb hat es einen wie ihn auch sehr gern
und bereitwillig vergessen. Aber wo die bittere, sprachbesessene Wut eines Thomas Bernhard
immer nur an der Außenmauer entlangkratzt, darüberwischt […], da entsteht bei Lebert der große Mythos einer für immer schuldig
gewordenen Welt. Eine Gottesgeschichte und gleichzeitig eine Gespenstergeschichte. Die unglaubliche Ungerechtigkeit, daß die einen
tot sind und die anderen nicht (auch Canetti hat sie nicht ertragen können), daß für die einen die Zeit zu Ende ist und für die
anderen noch nicht – und in diesen unseren Ländern haben die einen dafür gesorgt, daß für die anderen alles für immer beendet worden ist –,
diese Ungerechtigkeit führt dazu, daß wir Lebenden uns selbst ständig vernichten müssen, daß wir schon verfallen sind,
liegengelassene Pfänder, gerade in unseren eifrigsten Bemühungen, hier zu bleiben, gelbe Spuren in den Tiefschnee zu pissen.
In unseren EG-Anschlüssen gleichermaßen wie in den sogenannten Bedenkjahren. Daß wir lebende Tote sind.
aus: Elfriede Jelinek: Das Hundefell.
In: profil, 16.9.1991.
Über
Hans Leberts
Die Wolfshaut , aus Anlass der Neuausgabe des Buches (
Österreich
,
Vergangenheitsbewältigung
).