Neda Bei, Branka Wehowski: Der Schluß deines Romans handelt ja u. a. von dem, was Du dort als „Ministerium des Äußeren“ nennst, Kaufzwang, Wiederholungszwang, Selbstverstüm-melung und ein bedrückend offenes Ende –
Elfriede Jelinek: Ja. Das ist eine Paraphrase auf den Schluß vom „Prozeß“ von Kafka. Daß sozusagen K. als Mann immerhin würdig ist, Opfer zu werden, während die Frau noch nicht einmal würdig ist, Opfer zu werden. Sie kann sich weder als Täter noch als Opfer einschreiben. Und da hab‘ ich dann wirklich eine Paraphrase… ich hab‘ also z. T. wirklich Kafka zitiert, aber verändert.
Aber Du hast doch genügend Mitleid, Erika Kohut eher schon als Verspottete wahrzunehmen, als eine, über die man sich lustig macht?
Ja. Ich würde schon sagen, weil man, weil viele mir das ja absprechen, daß… diese Art von Mitleid. Das wurde bei Flaubert ja auch gemacht, daß er wie mit einem Skalpell an seinen Figuren herumschneide. Das hab‘ ich nie gesehen bei mir. Ich seh‘ immer, daß ich vehement eigentlich Partei ergreife mit dem, was ich schreibe. Aber ich wundere mich immer, daß das offenbar sich nicht vermittelt bei vielen. Die sehen mich nur als kalt und verspottend und distanzierend. Ich seh‘ das nicht so. Aber es ist jedenfalls nicht das große Menschenopfer wie bei Kafka. Das ist ja eine ganz große Zelebration mit diesen beiden Männern in den schwarzen Anzügen, die dann die Kehle durchschneiden.
aus: Neda Bei, Branka Wehowski: Die Klavierspielerin. Ein Gespräch mit Elfriede Jelinek . In: Die Schwarze Botin 24 (1984), S. 3-9 und S. 40-46, S. 42.
Thematisierung einiger Motive, die in Zusammenhang mit ihrem Roman
Die Klavierspielerin
relevant sind. Über die Beziehung zwischen
Mutter
und Tochter und die Gewaltentrennung in der
Familie
, wobei sie auch auf ihre eigene familiäre Situation eingeht (
Person
). Die Macht der Mutter im Roman wird als „abgleitende Gewalt“ (
Gewalt
) beschrieben, da sie „nicht ihre Normen“, sondern „die Normen einer Männergesellschaft“ (
Mann
,
Gesellschaft
) durchsetze. Sie grenzt ihre
Schreibverfahren
von den feministischen Ansätzen (
Feminismus
) in den Werken
Verena Stefans
und
Karin Strucks
ab, spricht über weiblichen Voyeurismus (
Frau
) und ihre Beziehung zur
Musik
. Als die für sie wichtigsten Komponisten bezeichnet sie
Schubert
,
Brahms
und
Mahler
. Das Scheitern Erika Kohuts begründet sie mit der „phallischen Anmaßung, daß sie sozusagen im Leiden herrschen will“.