Achim Roscher:Wie kamen Sie überhaupt zum Schreiben, hätte Ihnen nicht der Musikerberuf nahegelegen?Elfriede Jelinek:
Ich habe zwar eine Ausbildung zur Musikerin – ich habe auch Komposition studiert –, bin aber psychisch nicht imstande,
öffentlich aufzutreten, dazu habe ich nicht die notwendigen Nerven. Und das Komponieren ist ein komplizierterer, vielschichtiger,
durchaus mathematischer Umsetzungsprozeß vom Einfall bis zur Ausführung, der meinem Temperament nicht entsprach. Das Schreiben ist da eine spontanere Kunst;
außerdem war der erste Roman eine Möglichkeit, sich nicht vorrangig mit der Wirklichkeit, sondern mehr mit deren Spiegelung zu beschäftigen,
mit der Trivialsprache, mit Heftchenromanen, also Überbauphänomene ihrer Unschuld zu entkleiden und ihren lateten Gehalt an Gewalt herauszustellen.
Und welche Rolle spielt dabei die Musik, hatte sie für Ihre ersten literarischen Arbeiten über-haupt eine Bedeutung, hatte sie Einfluß auf die Sprache?
Ja, ich würde schon sagen, daß ich anders mit meinem Stoff umgegangen bin als andere Schriftsteller, die sich nicht mit der Musik beschäftigt haben:
das Ordnen des sprachlichen Materials findet bei mir anders statt, Sprache ist auch musikalisches Material. Es ist interessant, daß Autoren, die Musiker sind, die Musikalität meiner Texte sofort erkennen.
aus: Achim Roscher: Macht und Demütigung, mein Thema. Gespräch mit Elfriede Jelinek . In: Roscher, Achim: Lebensmuster. Zehn Gespräche. Berlin: Aufbau Taschenbuch Verlag 1995, S. 9-28, S. 14.
Ausführliches Gespräch über Biographisches (
Person
). Über ihre Kindheit und Ausbildung, über ihre literarische Laufbahn und ihre
Schreibverfahren
. In ihren Texten gehe es ihr darum, die Sprache „bis zur Kenntlichkeit zu entstellen“ und auf ihren Ideologiecharakter abzuklopfen. Einflüsse auf ihre Arbeiten sieht sie in ihrer Beschäftigung mit
Musik
und in den sprachkritischen Denk- und Schreibtraditionen (
Schreibtradition
) in
Österreich
(
Wittgenstein
, Wiener Gruppe). Über ihr politisches Engagement (
Politik
),
Feminismus
, weibliche
Sexualität
und Kreativität,
Kapitalismus
und
Kommunismus
. Die Situation in Österreich wird mit jener in der DDR verglichen. Am Beispiel ihres Romans
Lust
über die Keimzelle des Faschismus, die sie in der
Familie
und im Herrschaftsverhältnis zwischen
Mann
und
Frau
verortet. Angesprochen wird auch die deutsche Wiedervereinigung (
Deutschland
),
Wolken.Heim.
und der
Rechtspopulismus
in der
Politik
Österreichs und Frankreichs.