Donna Hoffmeister: Männliche Kritiker finden ihr Buch „Die Liebhaberinnen“ schlecht. Sie verwenden ästhetische
Kategorien wie Realismus gegen Sie und streiten Ihnen als Satirikerin das Recht zur
Übertreibung ab.
Elfriede Jelinek: Ja, natürlich. Seitdem ich schreibe, schlage
ich mich damit herum. Es ist wirklich schrecklich, weil eben die Techniken der Satire
hauptsächlich von den Juden getragen worden sind. Auch in Berlin war das eigentlich
jüdische Domäne. Diese Kultur ist eben vernichtet worden. Es gibt auch keine Kritiker
dafür, außer Reich-Ranicki, der eine satirische Ader hat. Ich glaube, daß durch die
Faschisten wichtige literarische Traditionen gewaltsam abgebrochen worden sind. [...]
Diese Kritik ist aber auch gegen Sie gerichtet, weil Sie als Frau Satire schreiben.
Das sowieso. Das steht einer Frau auch nicht zu. Ich finde in der Kritik meiner Werke
ständig Wörter wie: „erbarmungslos, brutal.“ Von einer Frau erwartet man eben
gefälligere Texte. [...]
Als Satirikerin artikulieren Sie keine Gegenvorstellungen zu der Gesellschaft.
Das positive Gegenmodell läßt sich mit meinen literarischen Techniken nicht vereinbaren.
Ich kann sozusagen nur das negative Schlaglicht auf die Dinge werfen. Ich habe mir schon
vorgenommen, das nächste Buch so wahnsinnig positiv zu schreiben, daß es noch viel
negativer als all meine negativen Bücher wirkt.
aus: Donna Hoffmeister: Interview mit Elfriede Jelinek am 22. August 1985.
In: Modern Austrian Literature 2/1987, S. 106-117, S. 111.
Ausgangspunkt des Gesprächs ist die Frage nach der Thematisierung von Arbeit (
Arbeiter
,
Arbeiterin
) in zeitgenössischen Romanen. Über deutschsprachige Romane, in denen das Spannungsfeld von Arbeit und Identität problematisiert wird, sie verortet (im Gegensatz zum Realismus in diesen Texten) ihre eigenen Werke in der avantgardistisch-sprachexperimentellen
Schreibtradition
Österreichs (
Österreich
) (
Karl Kraus
, Wiener Gruppe,
Elfriede Gerstl
). Über die Recherchen in einer Miederfabrik, die sie für ihren Roman
Die Liebhaberinnen
angestellt hat, Biographisches (den jüdisch-sozialistischen (
Judentum
) und den katholisch-großbürgerlichen Teil ihrer
Familie
(
Person
)) und ihr politisches Engagement (
Politik
). Als für ihre Arbeit wichtige
Schreibverfahren
bezeichnet sie die Techniken der Satire. Skeptisch äußert sie sich zur Frage, ob die Arbeitswelt im
Kapitalismus
bedingt durch technische Fortschritte humaner werden könnte. Neben den
Liebhaberinnen
auch über ihre Romane
Die Ausgesperrten
und
Die Klavierspielerin
.