Gabriele Presber:Was ist Ihre stärkste Charaktereigenschaft, was Ihre schwächste?
Elfriede Jelinek: Trägheit ist eigentlich keine Charaktereigenschaft, aber das ist
mein stärkster Zug. Ich bin nicht sehr geduldig. Ich denke nicht sehr über mich
nach. Ich analysiere immer zwanghaft die Zustände, aber nicht mich. Psychologie
ist meine schwache Seite, einfach deshalb, weil ich wenig an Menschen interessiert
bin. Das ist eine schlechte Eigenschaft, ich interessiere mich nicht für Menschen. Ich
bin ein bißchen misanthropisch, sogar ein bißchen menschenfeindlich.
Welchen Anspruch stellen Sie an das Leben?
Glücklicher möchte ich sein. Ich habe kein Talent, das Leben zu genießen. Das
kommt durch meine spartanische Erziehung und die chaotischen
Familienverhältnisse. Mit sieben Jahren schon hatte ich einen ausgefüllten Tag. Neben der Schule
habe ich ein komplettes Musikstudium absolviert. Mein Tag war verplant von sechs
Uhr früh bis zehn Uhr abends. Die einzige wirklich sinnliche Freude, die ich haben
kann, ist manchmal Mode. Das macht mir Spaß. Ich bin absolut fernsehsüchtig –
manisch. Ein Buch zu lesen bedeutet für mich den Höhepunkt des Lebensgenusses,
und mit vierzig lernt man das wohl nicht mehr. Das bedaure ich sehr.
Was bedeutet das Dasein für Sie?
Diese Frage ist schwer zu beantworten. Ich spüre eine moralische Verpflichtung,
mich der Unterprivilegierten anzunehmen. Das habe ich in meiner Literatur immer
versucht.
aus: Gabriele Presber: Elfriede Jelinek . In: Presber, Gabriele: Frauenleben, Frauenpolitik, Rückschläge & Utopien. Gespräche mit Elfriede Jelinek u.a. Tübingen: Konkursbuchverlag Gehrke 1992, S. 7-37, S. 27-28.
Über feministische Fragen (
Feminismus
), gegenderte
Gewalt
, körperliche Selbst- und Fremdbestimmung (
Körper
), weibliche
Sexualität
,
Katholizismus
, das Verhältnis von
Gesellschaft
,
Frau
und
Mann
in der Ökonomie (
Kapitalismus
) und über allgemeine Aspekte ihrer literarischen Arbeit.